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Tourismus in Georgien – Strand oder Berge?

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Tourismus in Georgien – Strand oder Berge?
tourismus-georgien - © Manuel Demetz

Das EU-Tempus Projekt CruiseT hat ein ambitioniertes Ziel, vor allem seit der Krise in der Ukraine. Die Region des Schwarzen Meeres soll für den Kreuzfahrttourismus attraktiver gestaltet werden. Mit dem Krisengebiet Krim und der instabilen Lage in der gesamten Ukraine kein Leichtes.

Diese Konfliktlage sorgt für Instabilität in der gesamten Region. Vor allem für Georgien ist dies ein herber Rückschlag, denn der Tourismus ist Georgiens Hoffnung Nr. 1, um das wirtschaftlich angeschlagene Land wirtschaftlich zu entwickeln. Die eigenen Konflikte in den Teilregionen Abchasien und Südossetien haben das Land am Kaukasus arg in Mitleidenschaft gezogen, denn die Konflikte im eigenen Land haben den wichtigen Export- und Reisemarkt Russland sozusagen lahm gelegt. Da helfen auch die tief gehenden historischen Verflechtungen Georgiens mit den Glanzzeiten sowjetischer Heldenzeiten nicht (Stalin war Georgier und noch heute gibt es in Gori ein Museum, welches den Stalin-Kult konserviert). Die von Russland verhängten Importverbote sanktionieren die Wirtschaft Georgiens. Daher würden sich die Georgier über Gäste aus dem Westen um so mehr freuen.

Die Regierung Georgiens ist zwar bemüht die Destinationsentwicklung voran zu treiben, die Herausforderungen sind jedoch immens. Die aktuellen Entwicklungen werden dabei von den zwei großen Zentren in Batumi und Tbilisi gesteuert. Die Entwicklungen an der Küstenstadt Batumi werden dabei vor allem über Investitionen aus der Türkei gelenkt. In Tbilisi hingegen steuert das Ölkapital aus Azerbaidschan die Geschicke der Hauptstadt. Aus dem Blickwinkel eines westeuropäischen Gastes hat Georgien erhebliche infrastrukturelle Defizite, um sich als Destination etablieren zu können. Auch wenn Georgien in nur drei Flugstunden erreicht werden kann, Georgien, der Balkon Europas, ist eben
nicht nur Europa.

Barriere Sprache
Vor allem für Individualreisende stellt die Sprache eine ernst zunehmende Hürde dar. Die Englischkenntnisse der Georgier sind sehr mangelhaft und auch das georgische Alphabet erleichtert die Kommunikation nicht. Die Linguae Franca Georgiens ist nach wie vor Russisch und ohne Russisch-Kenntnisse wird eine Reise durch Georgien ein sehr schweigsames Unterfangen.

Barriere Gastfreundschaft und Kundenorientierung
Die Sowjetzeit hat die Wirtschaftskultur nachhaltig geprägt und die allgemeine, vor allem in Standardsituationen wie Empfang im Hotel, Bestellung im Restaurant, Museumsführung, etc. erwartete Kundenorientierung entspricht nicht unseren westlichen Gewohnheiten. Professionalität und Kundenorientierung werden nicht wirklich vermittelt. Hier müssen gezielte Ausbildungsprogramme noch viel leisten, um aufbauend eine erfolgreiche Destination entwickeln zu können.

Barriere Unterkunftsbetriebe
Das Angebot an Unterkunftsbetrieben ist flächendeckend nicht ausreichend ausgebaut. Vor allem mangelt es an Betrieben in der mittleren Preisklasse, die auch in der Lage sind, ein authentisches und dennoch den westlichen Qualitätsstandards entsprechendes Produkt anzubieten. Die prestigeträchtigen Bauten internationaler Hotelkonzerne sind für Geschäftsreisende und die gehobene Klientel vor allem in den Städten Batumi und Tbilisi zur Genüge vorhanden bzw. es wird aktuell kräftig gebaut, aber für eine Intensivierung der touristischen Aktivitäten reicht dieses Angebot alleine nicht aus. Gezielte Förderprogramme für touristische Entrepreneure könnten die richtigen Impulse setzen.

Barriere DMO-Strategie
Die zentrale Herausforderung für die Destinationsentwicklung Georgiens wird jedoch die Beantwortung der Frage sein, welche Art von Destination Georgien schlussendlich eigentlich sein möchte? Welches Bild sollten potentielle Gäste aus dem Westen im Kopf haben, wenn das Stichwort Georgien fällt? Erst wenn diese Frage geklärt ist, können die oben genannten Barrieren schrittweise aus dem Weg geräumt werden.

Die im Rahmen des Tempus Projektes CruiseT durchgeführten Gespräche bescheinigen, dass eine nationale, gemeinsame Antwort auf die strategische Positionierung der Destination noch offen und eine nationale Destinationsstrategie noch zu erarbeiten ist. Batumi, die Küstenstadt in der autonomen Region Adscharien, möchte sich über den Kreuzfahrttourismus als Destination für den Badetourismus stärken. Eine große Herausforderung, denn zum einen bieten in dieser Region die Türkei, Rumänien und Bulgarien dieses Produkt erfolgreich am Markt an und die Strände Georgiens erwecken, zumindest dem ersten Anschein nach, nicht wirklich den Eindruck ein ernst zu nehmendes USP vorweisen zu können. Auch die Zukunft des Kreuzfahrttourismus im Schwarzen Meer wird in den nächsten Jahren eher erlahmen und bisherige Strategien sollten möglicherweise hinterfragt werden.

Georgiens Attraktivität als Destination ist nicht auf den einen starken Attraktionspunkt mit internationaler Ausstrahlungskraft reduzierbar, sondern Bedarf der gekonnten Inwertsetzung vieler kleiner Elemente: die Historie des Landes, die Brückenfunktion zwischen Europa und Asien, die Spannung zwischen Gebirge und Meer, zwischen einstigem Kommunismus und der Sehnsucht Teil des Westens zu sein. Die üppige Natur, die seit Menschengedenken den Georgiern eine reiche Tafel beschert hat, die von der UNESCO ausgezeichnete Weinkultur, die Musik und ihre Tänze, die starken Landschaftsbilder – das sind die Attraktionen Georgiens.

Das Bild im Kopf, wenn der Name Georgien fällt, ist damit dennoch nicht geklärt, aber der Kaukasus könnte eine erste Antwort sein. Die Berge als zentrale Botschaft haben Potenzial. Dies beweist unter anderem auch die erfolgreiche Entwicklung des Alpentourismus. Gemeinsam mit den Alpen zählt der Kaukasus zu den mächtigsten europäischen Gebirgszügen. Mit seinen knapp 5.000 Meter hohen Gipfeln lassen sich Geschichten erzählen, um die Brand-Story der Destination Georgiens zu bespielen. Dabei geht es in erster Linie nicht um einen alpinen Sporttourismus, sondern um die Vermittlung der Faszination des Naturraum Kaukasus, um Zielgruppen zu aktivieren. Eine kurze Bildrecherche im Web reicht aus, um zur Schlussfolgerung zu gelangen, dass der Kaukasus eine magische Ausstrahlung, eine expressive Ästhetik besitzt, die das Potenzial zur Markenbildung hat. Das USP für Georgien kann in einer solchen Destinationsstrategie der Zugang – die Accessibility – sein. Von Tschetschenien, Nordossetien und den anderen russischen Regionen aus, ist der Kaukasus aus touristischer Sicht nicht wirklich erreichbar. Von Georgien aus schon.

Der Tourismus in Georgien tut gut daran, sich auf ein gemeinsames Ziel zu verständigen und möglicherweise den Kaukasus als zentrale Botschaft ins Spiel zu bringen. Schnelles Geld lässt sich mit dieser Strategie aller Voraussicht nach nicht verdienen, aber sie verhindert auch einen Retorten-Tourismus durch internationale Konzerne, der nur Wenigen einen Vorteil bringt und in der Folge die lokale Wertschöpfung kaum porfitieren lässt. Denn damit wäre den Georgiern auch nicht geholfen.

Autor: Manuel Demetz

 

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Citation

https://doi.org/10.57708/b22008530
Demetz, M. Tourismus in Georgien – Strand oder Berge? https://doi.org/10.57708/B22008530

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