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Trust Me, I’m a Populist: Populismus in der Krise

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Trust Me, I’m a Populist: Populismus in der Krise
Trust Me, I’m a Populist: Populismus in der Krise - © masterx.iulm.it
Populisten wissen von Krisen zu profitieren. Ob sie sich im Management von Krisen aber auch profilieren können?

Einen musste es ja früher oder später treffen. Und es ist nicht gerade verwunderlich, dass es ausgerechnet jenen Regierungschef getroffen hat, der vor wenigen Wochen noch damit angegeben hatte, in einem Krankenhaus mit Coronapatienten jedem die Hand geschüttelt zu haben: den Premierminister des Vereinigten Königreichs Boris Johnson. Ihm sei das „Händeschütteln“ nun einmal wichtig und er werde auch nicht darauf verzichten. Wichtig sei schließlich nur, dass man anschließend die Hände wasche. Nun ja, nachdem er Ende März positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, hatte sich sein Gesundheitszustand so sehr verschlechtert, dass er auf einer Intensivstation behandelt werden musste. Die Frage, die sich mir nun aufdrängt: wie viele andere Menschen mag er wohl mit seinem fahrlässigen Verhalten angesteckt haben? Schließlich handelt es sich hier nicht nur um einen „normalen“ Bürger, sondern um den ranghöchsten Minister Großbritanniens und Nordirlands. Und: Diese Situation ist nur die Spitze des Eisbergs, denn das ganze Land scheint unter dem Krisenmanagement Boris Johnsons zu leiden.

Hat Corona den Populismus in neue Schranken gewiesen? Welche Merkmale können wir im Krisenmanagement von Populisten identifizieren?

Obwohl die mediale Präsenz italienischer Populisten hierzulande gefühlt einen Tiefpunkt erreicht hat – was wahrscheinlich an der ohnehin schon großen Masse an Informationen liegt, die tagtäglich auf uns einschlagen – heißt das nicht, dass Lega-Chef Matteo Salvini etwa sprachlos wäre. Er hat das Coronavirus schon früh als neue Gefahr für die Italiener identifiziert. Nach seinen Aussagen jedoch, war die neue Gefahr in seinem alten Feindbild, jenem der Migranten inkorporiert. Das Bestimmen von Feindbildern, denen vorgeworfen wird, die Gemeinschaft anzugreifen oder in Gefahr zu bringen, gehört zu den wichtigsten Stilmitteln des Populismus und zu den typischen Feindbildern der Rechtspopulisten zählen nun mal in erster Linie Migranten und Flüchtlinge.

Salvinis Forderungen: zur falschen Zeit am falschen Ort

Die sogenannte Flüchtlingskrise im Jahr 2015 wurde von Rechtspopulisten besonders effizient genutzt, indem allen voran Ängste geschürt wurden. Zustimmungswerte und Wahlstimmen der Populisten stiegen seither in vielen Ländern munter in die Höhe. Das Thema der Migration ist in den Medien noch immer ziemlich präsent, wenn es auch in den letzten Jahren etwas an Brisanz verlor. Salvini versucht nun aber ganz offensichtlich, die alten Ängste gegenüber dem Fremden mit den möglichen Gefahren des Virus für die Gesundheit zu verbinden. Der einzige Ausweg seien die Grenzschließung und akribische Kontrollen auf den Seewegen. Kurz darauf wurde die erste Ansteckung mit SARS-CoV-2 gemeldet, aber nicht – wie von ihm prognostiziert – in den Aufnahmezentren für Migranten, sondern im industriellen Zentrum Italiens, in der Lombardei. Peinlich ist zudem, dass ausgerechnet dort auch Salvinis Lega regiert. Wirklich tragisch ist, dass sich die Region ziemlich schnell zu Italiens Krisenherd entwickelte, was auch als Indiz für mangelndes Krisenmanagement der Regionalregierung interpretiert werden kann.

Als die Politik daraufhin mit ersten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie begann, twitterte Salvini bereits Ende Februar, wie wichtig eine Öffnung sei: „Il mondo deve sapere che venire in Italia è sicuro, perché siamo un Paese bello, sano e accogliente, altro che lazzaretto d’Europa, come qualcuno sta cercando di farci passare“. Salvini bleibt lautstark, zumindest auf Twitter – nicht umsonst auch Lieblings- bzw. Regierungskanal eines weiteren Populisten, zu dem wir später im Text kommen. Salvinis aktuelle Forderung: dass sich die Italiener selbst retten sollen und der EU nicht vertraut werden darf.

Zwei Präsidenten, zwei Länder, eine Inkompetenz

Populisten in der Opposition mögen sich solche Parolen ja leisten können, wie aber sieht es mit Populisten in der Regierung aus? Zu den bekanntesten zählen wohl Donald Trump und Boris Johnson. Letzteren habe ich bereits angesprochen. Es sieht nicht sehr gut aus. Nicht für ihn, aber vor allem nicht für sein Land. Das Gesundheitssystem ist schwach und kaum zur Bewältigung einer so dramatischen Krise fähig. Aktuelle Prognosen rechnen sogar damit, dass Großbritannien in Europa am schwersten von der Coronakrise betroffen sein wird.

Trump hingegen gebärdet sich noch immer quietschfidel und findet gefühlt täglich neue Schuldige für die aktuell prekäre Lage in seinem Land. Angefangen mit dem sogenannten Chinesischen Virus, bis hin zu den naiven Europäern, die er von einem Tag auf den anderen nicht mehr ins Land lässt, weil diese nicht früh genug die Grenzen geschlossen hätten und nun es ist die WHO, die in seinen Augen verantwortlich ist für die Ausbreitung der Coronapandemie. Auch er stufte, ähnlich wie Johnson, dieses neuartige Virus als kein Risiko für seine Bürgerinnen und Bürger ein. Als es kritischer wurde, machte er – der eine große Tendenz zur Superlative hat – dem Rechtspopulismus jede Ehre. Beispielsweise versuchte er ein komplettes Forschungsteam aus Deutschland zu kaufen, auf dass seinem Volk zuallererst geholfen werden könne. Ein großer Hang zum Nationalismus – wir erinnern uns: #Americafirst – und die Unterscheidung zwischen „Volk“, „popolo“ und der „Elite“ gehören zu den Grundmerkmalen und zum ideologischen Kern des Rechtspopulismus. Die Populisten, die meist an einem charismatischen Führer hängen, stehen natürlich auf der Seite des Volkes, welches an sich als eine Einheit gesehen wird. Dabei werden jegliche Heterogenität oder gegensätzliche Interessen eines Volkes implizit geleugnet.

Trump und Johnson sind seit Beginn der Krise ähnlich damit umgegangen: Leugnung der Gefahr, damit einhergehende Maßnahmen beziehungsweise keine oder zu schwache Maßnahmen, Schuldzuweisungen und Schaffung neuer (alter) Feindbilder, schließlich dann die Einsicht und die Zeichnung von „Horrorszenarien“, um sich zum Schluss als Held zu präsentieren, sollten diese womöglich doch nicht eintreffen.

Virus und Populismus: zwei Überlebenskünstler

Die aktuelle Krise ist bestimmt eine Bewährungsprobe für populistische Führer und rational gedacht, sollte sich das aktuelle Verhalten von Trump sehr negativ bei den Präsidentschaftswahlen für ihn auswirken. Er trug schließlich einen großen Teil dazu bei, dass das ohnehin schon prekäre Sozial- und  Krankenversicherungssystem noch prekärer für einen großen Teil der Bevölkerung wurde. Die kapitalismusgeprägten Vereinigten Staaten werden in dieser Krise viele Opfer zu beklagen haben, aber wird die Bevölkerung ihrem Präsidenten weiterhin trauen? Trumps und Johnsons aktuelle Zustimmungswerte verbessern sich trotz allem. Demnach werden wir US-Präsident Trump und Premierminister Johnson ungeachtet schlechtesten Krisenmanagements wohl nicht so schnell abschreiben können.

Der Populismus wird wohl auch diese Krise überleben. Nun wird sich aber deutlicher zeigen, inwieweit Populisten tatsächlich als Krisenmanager taugen. Besonders vor dem aktuellen Hintergrund und der Tatsache, dass die nächste große Krise – die das Weltklima und die Umwelt betrifft – auch früher oder später über uns hereinbrechen wird, bleibt zu hoffen, dass sich populistische Aktionen zukünftig dort abspielen, wo sie weit weniger Schaden anrichten können: auf der Oppositionsbank.


Mirjam Gruber ist Politikwissenschaftlerin am Center for Advanced Studies von Eurac Research. Durch die Coronakrise wurden einige ihrer lang verloren geglaubten Freundschaften aus dem Standby-Modus geholt. Trotz der oft großen physischen Distanz fühlt sie sich mehr denn je mit vielen Freunden aus aller Welt verbunden.

 

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Citation

https://doi.org/10.57708/b6601094
Gruber, M. Trust Me, I’m a Populist: Populismus in der Krise. https://doi.org/10.57708/B6601094

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