Welch Ironie. Einer der mächtigsten Populisten, der seit Monaten nichts anderes tat, als das Virus kleinzureden, Maskenträgerinnen zu verspotten, widersprüchliche Informationen zu streuen und letzten Endes Millionen Menschen in Gefahr zu bringen, fällt ihm nun selbst zum Opfer. Zumindest politisch, wie Mirjam Gruber, Politikwissenschaftlerin am Center for Advanced Studies meint.
Es ist aktuell schwer, eventuelle positive Seiten einer Krise zu beschreiben, wo wir doch gerade wieder mittendrin stecken. Auf der einen Seite stehen die direkten gesundheitlichen und auf der anderen die gesellschaftlichen, psychologischen und wirtschaftlichen Folgen, die mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie einhergehen. Niemand will die vielen negativen Auswirkungen auf einzelne Menschen, unsere Gesellschaft oder auf uns als (Welt-)Gemeinschaft bagatellisieren oder überspielen. Niemand? Nun ja, wer sich aus ihrer Filterblase hinauswagt und die Diskussionen in sozialen Medien verfolgt, weiß: sogenannte Querdenkerinnen gibt es zur Genüge, einige davon demokratisch gewählt. Eines wozu nun aber dieses kleine SARS-CoV-2-Virus vermutlich beigetragen hat, kann durchaus auch positive Gefühle hervorrufen. Nämlich, dass Donald Trump sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und damit die Führung einer der größten und stärksten Weltmacht nach vier Jahren verloren hat. Welch Ironie. Einer der mächtigsten Populisten, der seit Monaten nichts anderes tat, als das Virus kleinzureden, Maskenträgerinnen zu verspotten, widersprüchliche Informationen zu streuen und letzten Endes Millionen Menschen in Gefahr zu bringen, fällt ihm nun selbst zum Opfer. Zumindest politisch.
Trump hat in der Coronakrise versagt. Zumindest aus europäischer Sicht. In einem Sozialstaat, der jeder Bürgerin Zugang zu bezahlbarer ärztlicher Behandlung gewährleistet, in dem man nicht zwischen wirtschaftlichem und gesundheitlichem Überleben entscheiden muss, erscheint das amerikanische System schon beinahe surreal. Trumps Vorgänger versuchte die dramatische Situation in Bezug auf die Krankenversicherung etwas zu entschärfen. Doch selbst Obamacare kann dem Vergleich zu einem europäischen Krankenversicherungssystem niemals standhalten. Es war dennoch ein bedeutender Schritt, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern und das in einem Land, welches vom Kapitalismus überzeugt ist wie kein anderes. Trump wiederum hat seit seiner Präsidentschaftskandidatur 2016 klar gemacht, was er von Obamacare hält, dass er es abschaffen und durch ein besseres System ersetzen wolle. Ein Konzept dafür gab es nie und doch war dieses Wahlversprechen eines seiner präsentesten. Man möchte gar nicht darüber nachdenken, wo Amerika jetzt mitten in der Pandemie stehen würde, wäre er erfolgreich gewesen.
Donald Trump hat in den letzten vier Jahren durchaus einige seiner Wahlversprechen umsetzen können, wie etwa Steuersenkungen (für Reiche), die Beschränkung der Immigration, die Kündigung des Pariser Klimaabkommens und die Berufung gleich mehrerer konservativer Richterinnen in den Supreme-Court. Die Sinnhaftigkeit oder eine objektive Bewertung sei dahingestellt, trotzdem sind es Gründe für seine Anhängerschaft, weiterhin an ihn zu glauben und wieder zu wählen. Eine globale Pandemie, die auch die reichsten und fortschrittlichsten Nationen in die Knie zwingt, kam mehr als ungelegen. Die Frage, wie regierende Populisten mit dieser Krise umgehen und sie bewältigen, stellt sich nach wie vor. In den USA könnte sie nun ein wichtiger Faktor gewesen sein, der dazu beigetragen hat, eben diesen populistischen Präsidenten abzuwählen, wenn auch nur knapp. Niemand kann leugnen, wie hart die USA von der Krise getroffen wurden. Fast wöchentlich melden die Medien neue Rekorde steigender Infektionszahlen. Täglich steigt die Anzahl der Menschen, die mit Covid-19 in den Krankenhäusern behandelt werden müssen.
Während hierzulande nach Ausbruch der ersten Welle Klopapier gehortet wurde, erreichten uns aus den USA Bilder langer Warteschlangen vor den Waffengeschäften. All das vermittelt nicht den Eindruck, dass sich die US-Bürgerinnen sicher in ihrem Land fühlen.
Mirjam Gruber
Wer den Wahlkampf und die Nachrichten dazu verfolgt hat, sah bisweilen mit Staunen auf die große und begeisterte Anhängerschaft Trumps, die bei vielen schon seit Beginn seiner politischen Karriere für Kopfschütteln sorgte. Spätestens angesichts des katastrophalen Krisenmanagements schien ein erneuter Erfolg Trumps noch schwerer nachvollziehbar. Die Pandemie beeinflusste den Wahlkampf in vielfältiger Weise und obwohl mit Joe Biden sicherlich kein herausragender Gegner in der Geschichte der US-Präsidentschaftskandidatinnen als Kontrahent antrat, wusste er diese „Gunst der Stunde“ für sich zu nutzen. Als bekanntlich eher schwacher Redner spielte gerade ihm die Digitalisierung vieler Wahlkampfveranstaltungen in die Karten. Und er war erfolgreich. Auch dank seiner Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris, die eine Wählergruppe mobilisieren konnte, bei der ein Joe Biden allein vielleicht wenig Zustimmung erhalten hätte. Natürlich war es kein Zufall, dass Biden die weibliche! und nicht-weiße! Harris an seine Seite holte. Sie sollte verkörpern, was er selbst nicht zu bieten imstande ist, nämlich einen umfassenden Wandel.
Fakt ist, dass im November 2020 so viele Amerikaner zu den Wahlurnen gingen, wie schon ein ganzes Jahrhundert nicht mehr. Man muss dazu sagen, dass auch Trump sehr viele Unterstützerinnen mobilisieren konnte. Er hat 2020 absolut gesehen sogar mehr Stimmen erhalten als noch 2016, ist Joe Biden aber im popular vote als auch Wahlfrauenmäßig unterlegen. Doch es ist schwer, diesen Sieg nur an den Leistungen oder Wahlversprechen der Kandidierenden zu messen. So waren es vermutlich nicht die Biden-Harris Anhängerinnen, die diese Wahl entschieden, sondern die Gegnerinnen Trumps, die auch durch die Coronakrise wachgerüttelt wurden. Dazu kamen die beinahe täglichen „Eskapaden“ des Präsidenten, wobei dieses Wort nicht die Tiefe und Tragweite des Verhaltens und Handelns eines Donald Trump erfassen kann. In den vergangenen vier Jahren wurde über beinahe bürgerkriegsähnliche Zustände in einer der reichsten und mächtigsten Nationen der Welt berichtet. Rassismus ist ein altes, unschönes, tiefes und beharrliches Problem der US-amerikanischen Gesellschaft, und man kann nicht leugnen, dass Trump auch diesen wieder salonfähig gemacht hat. Weder für die Gleichberechtigung der Geschlechter noch für den Kampf gegen den Klimawandel hat dieser Präsident etwas geleistet, außer, dass er alles dafür getan hat, diese Probleme zu leugnen und aktiv zu ihrer Verschärfung beizutragen.
Wird mit Biden alles besser? Nein, sicher nicht! Zumindest nicht in unmittelbar absehbarer Zeit. Um vier Jahre Trumpsche Politik wieder auf null zu setzen, braucht es Zeit und Geduld. Aber, viel entscheidender: Trump und seine populistische Entourage mögen zwar schlimm sein und die Tweets können Magengeschwüre auslösen, aber sie sind doch nur ein Symptom davon, was in vielen Teilen unserer Gesellschaften falsch läuft. Trump wurde demokratisch gewählt! Matteo Salvini wurde demokratisch gewählt! Heinz Christian Strache wurde demokratisch gewählt! Alice Weidel wurde demokratisch gewählt! Was sagt uns das über die Demokratie? Viele Menschen sind offensichtlich unzufrieden und wünschen sich eine bürgernahe Politik, welche die Bürgerinnen und deren Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Populistische Akteurinnen versprechen zwar genau das, aber Beispiele aus Polen, Ungarn oder eben auch den USA zeigen, dass besonders diese, sobald sie an der Macht sind, diese Macht wiederum missbrauchen und demokratische Systeme durch autoritäre Tendenzen gefährden. Es bleibt zu hoffen, dass die Republikanische Partei Trump in die Schranken weist und ihn freundlich zum Ausgang geleitet, denn diese Wahl und vor allem das Verhalten Trumps, zeigt erneut wie gefährlich Rechtspopulismus nicht nur in einer Krise, sondern auch für eine Demokratie sein kann.
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