Gespräche zwischen Disziplinen: Die Bibliothekarin Antje Messerschmidt und Event Manager Pier Paolo Mariotti im Interview.
Sie haben gleich zwei Anfänge miterlebt: den der allerersten Arbeitsgruppe, aus der sich das Forschungszentrum Eurac Research entwickelte und den der Grundsteinlegung des heutigen Hauptsitzes in der Drususallee mit all‘ seinen neuen Räumlichkeiten und Dienstleistungen. Wir sprechen mit Antje Messerschmidt und Pier Paolo Mariotti. Sie leitet die Bibliothek, er das Event-Management-Team. Gemeinsam zeichnen sie den bisher beschrittenen Weg nach. Sie sind stolz darauf, mit ihrer Arbeit die Forschung unterstützt zu haben. So sehr, dass sie ihre Erwartungen immer höher schrauben…
Wann haben Sie das erste Mal etwas von Eurac Research gehört?
Antje Messerschmidt: Ich habe noch das alte Logo der „Europäischen Akademie Bozen“ vor Augen. Es hatte damals eine Brücke als Bildlogo und prangte auf einer Trentiner Zeitung. Das war 1992. Die „Akademie“ suchte eine Bibliothekarin und ich habe gleich gedacht: Toll, dort könnte ich meine beiden Welten miteinander verbinden, die deutsche und die italienische. Sie haben ein bisschen gebraucht, bis sie mich angerufen haben. Einige Monate. Doch jetzt bin ich die dienstälteste Mitarbeiterin! (Sie lacht.)
Pier Paolo Mariotti: Ich hingegen war in Mailand, als ich das erste Mal von Eurac Research hörte. Ich arbeitete für eine Zeitschrift über Kongress-Management. Sie riefen mich an und baten um Beratung. Es ging um das gerade eröffnete Kongresszentrum am neuen Sitz in der Drususallee. Das war im Jahr 2001. Dann, als die Leiterin des Zentrums nach der Mutterschaft ihre Stelle nicht mehr antrat, übernahm ich die Leitung. Sagen wir mal so: die Zusammenarbeit hat sich stufenweise und sehr natürlich entwickelt.
Antje Messerschmidt, ist es üblich, bereits zu einem so frühen Zeitpunkt Bibliothekspersonal einzustellen?
Messerschmidt: Nein, ganz und gar nicht. Es war der Vorschlag des Sprachwissenschaftlers und Juristen Reiner Arntz, der mich zunächst beauftragt hatte, den Bestand einer bibliographischen Datenbank zur Rechtssprache zu beschaffen. Eine Menge Arbeit, aber ich hatte Glück. Von den Vormietern hatte ich nur leere Regale geerbt. Ansonsten war noch alles auf Anfang! Ich habe mir alles selbst zusammenbastelt: Ich habe in Bibliotheken und Buchhandlungen gestöbert und habe in Katalogen nach Titeln gesucht, die nicht leicht zu finden waren. Zudem musste ich auch die am besten geeignete Software auswählen, um alles zu organisieren. Die, die kleinere Bibliotheken verwendeten, waren nicht ausreichend, die von größeren Bibliotheken, wie z. B. Tessmann, waren zu teuer. Unsere Informatiker drängten damals bereits auf eine Lösung, die mit Windows kompatibel war, das zu der Zeit noch ein sehr unübliches Betriebssystem war, weil alle DOS benutzten. Diese Anlaufphase war sehr arbeitsreich, aber auch wunderbar: Jeder war an allem interessiert.
Pier Paolo Mariotti, auch dank des Konferenzzentrums, das große Veranstaltungen erst möglich macht, hat die Forschung einen zusätzlichen Entwicklungsschub erfahren. Welches Wissenschaftsevent hat Sie am meisten beeindruckt?
Mariotti: Eigentlich sind es gleich fünf. Zunächst einmal erinnere ich mich herzlich an alle Besuche des Dalai Lama. Wenn ich an rein wissenschaftliche Events denke, dann muss ich im Jahr 2005 mit dem Vortrag des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Jeremy Rifkin beginnen, zu dem Flavio Ruffini eingeladen hatte. Herr Ruffini arbeitete damals bei Eurac Research, heute ist er in der Provinz tätig. In Folge dieser Konferenz hat sich die Wasserstoffforschung in Südtirol durchgesetzt. Zwei Jahre später fand das 27. Symposium der Europäischen Gesellschaft für Fernerkundung (Earsel) statt - zeitgleich mit der Entstehung unseres gleichnamigen Forschungsinstituts. Dann war da noch der deutschsprachige Lehrerkongress, der 2.767 Personen aus 109 Ländern und fünf Kontinenten nach Bozen brachte; und schließlich möchte ich noch den 10. Weltkongress zur Gebirgs- und Höhenmedizin 2014 erwähnen, der stark von Hermann Brugger vorangetrieben worden war. Gemeinsame ist diesen Ereignissen ihre Internationalität und die Entschlossenheit eines aufgeklärten Forschenden, dem wir mit unserer Dienstleistung geholfen haben, das zu verwirklichen, was er im Kopf hatte, so dass wir auf dieses Weise das Netzwerk der wissenschaftlichen Gemeinschaft gestärkt und erweitert haben.
Welche Rolle spielt die Bibliothek für externes Publikum?
Messerschmidt: Lange Zeit besuchten uns nur sehr wenige externe Studierte und Studierende. Das änderte sich mit dem Umzug in die Drususallee. Die Direktion wollte unbedingt die Tore der Bibliothek für externes Publikum öffnen, um zu zeigen, dass Eurac Research auch ein direkter Dienstleister der Gesellschaft ist. So erwarben wir die Ökobibliothek, die ursprünglich in Neustift ansässig war und später zur Eco-Library wurde. Bis heute stattet sie jedes Jahr mehr als hundert Einrichtungen - vor allem Schulen - mit Medienpaketen und Materialien zu Umweltthemen aus. Kurz gesagt, ist die unsere, eine einzigartige Bibliothek: in gleicher Weise öffentlich und wissenschaftlich.
“Früher waren wir sozusagen Auffinderinnen und Katalogisiererinnen von Büchern, heute garantieren wir den reibungslosen Zugang zu Quellen und Informationen”.
Antje Messerschmidt
Sie arbeiten beide seit langem bei Eurac Research. Was hat Ihre Arbeit im Laufe der Jahre am stärksten verändert?
Messerschmidt: Neben dem Umzug an den jetzigen Sitz und dem Aspekt des Zugangs der Öffentlichkeit, war das eindeutig die verbreitete Nutzung des Internets. Das hat nicht nur die Anzahl an elektronischen Ressourcen erhöht – von Büchern und Print-Zeitschriften sind wir zu Datenbanken, E-Journals und E-Books übergegangen – nein, es hat sich auch unsere Arbeit an sich geändert: Früher waren wir sozusagen Auffinderinnen und Katalogisiererinnen von Büchern, heute garantieren wir den reibungslosen Zugang zu Quellen und Informationen, so dass man mit Recht von Bibliotheks- und Informationswissenschaften spricht. Wir kümmern uns beispielsweise um Lizenzen, und oft merkt der Nutzer gar nicht, dass es die Bibliothek war, die eine bestimmte Datenbank zur Verfügung gestellt hat, weil die Vermittlungsarbeit hinter den Kulissen abläuft. In jedem Fall ist die direkte Beziehung zum Publikum nach wie vor von entscheidender Bedeutung, sowohl an der Ausleihe als auch im direkten Beratungsgespräch zwischen Nutzern und Bibliothekspersonal.
“Die Zukunft wird definitiv in hybriden Veranstaltungen liegen. Diese Mischung lässt einfach die Besucherzahlen explodieren”.
Pier Paolo Mariotti
Mariotti: Dem stimme ich voll und ganz zu. Die Pandemie hat gezeigt, dass Konferenzen online abgehalten werden können. Unser Team hat sich schnell auf allen wichtigen Plattformen eingearbeitet und meine Mitarbeiter lassen sich derzeit als Digital Event Strategists zertifizieren. Die Zukunft wird definitiv in hybriden Veranstaltungen liegen. Diese Mischung lässt einfach die Besucherzahlen explodieren: Die Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Rom zog beispielsweise im Jahr 2019 25.000 Teilnehmer an; die Online-Veranstaltung ein Jahr später haben 125.000 Personen verfolgt. Doch besitzt jede Konferenz auch einen menschlichen Teil, im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn sich Personen begegnen, entstehen neue Kooperationen und gestärkte Beziehungen. Dies kann und darf nicht verloren gehen.
Ein Zukunftswunsch für Ihren Arbeitsbereich?
Messerschmidt: TDie Bibliothek möge ein physischer, lebendiger Ort bleiben!
Mariotti: Möge der Erfolg der Veranstaltung Nobelpreisträger im Gespräch, die wir zusammen mit der Stiftung Sparkasse organisieren, anhalten! Denn wer weiß, vielleicht wird in Zukunft auch der eine oder die andere “unserer” Wissenschaftler daran teilnehmen…
Antje Messerschmidt ist Bibliothekarin. Sie stammt aus Niedersachsen und siedelte zunächst ins Veneto und dann ins Trentino über. Bevor sie der Eurac library im wahrsten Sinne des Wortes Leben einhauchte, arbeitete sie in der Universitätsbibliothek Göttingen, einer der größten Bibliotheken Deutschlands. Wenn sie nicht zwischen Bücherregalen steht, fotografiert sie Natur und Landschaften, steht in stiller Bewunderung vor Seen oder quält sich auf Langlaufskiern.
Pier Paolo Mariotti ist Certified Destination Management Executive und Digital Event Strategist. Er ist Begründer des Convention Bureaus in Turin und des Magazins IT, einer Zeitschrift zur italienischen Konferenzindustrie. Zuvor war er als Fotojournalist tätig und reiste viel - vor allem durch Südostasien.