Im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol hat ein Forschungsteam den Lebensraum Streuobstwiese untersucht - und außerordentliche Vielfalt gefunden.
Fünf Streuobstwiesen, verteilt über ganz Südtirol, hat das Forschungsteam untersucht, eine davon war diese hier in Lichtenberg bei Prad. Die Farbschalen (in der Wiese links) dienen zur Erhebung der Wildbienen.
Credit: Eurac Research | Lisa Obwegs
Fünf Streuobstwiesen – gemähte oder beweidete Wiesen in denen verstreut Obstbäume wachsen – verteilt über ganz Südtirol, hat das Team untersucht. Sie zeigen, dass die besonderen Eigenschaften der „Anger“ oder „Pangerter“, wie sie in Südtirol genannt werden, sie zu einem wertvollen Lebensraum für eine Vielzahl von Arten machen.
In keinem anderen Lebensraum Südtirols wurden etwa so viele Vogelarten erhoben, darunter einige gefährdete Arten. Besonders eindrucksvoll auch die Ergebnisse zu Wildbienen: In den Streuobstwiesen kamen im Schnitt fast 23 Arten vor – in intensiven Apfelanlagen sind es nur knapp über neun.
Der Vergleich zwischen den extensiv bewirtschafteten Streuobstwiesen und intensiven Apfelanlagen führt deutlich vor Augen, wie sich die zunehmende Intensivierung auf die Artenvielfalt auswirkt. Heuschrecken zum Beispiel konnten in Apfelanlagen nur in Ausnahmefällen nachgewiesen werden, in den untersuchten Streuobstwiesen dagegen erhob der Experte neun Arten, darunter die gefährdete Gestreifte Südschrecke; damit gehören die Anger, neben extensiven Wiesen und Weiden, in Bezug auf Heuschrecken zu den artenreichsten Lebensräumen im Land.
Ein ähnliches Bild ergibt sich für Tagfalter: In den Streuobstwiesen konnten im Schnitt 13 Arten nachgewiesen werden, während in Apfelanlagen fast nur der Kohlweißling anzutreffen war, ein Generalist, der keine besonderen Ansprüche an seinen Lebensraum stellt. Auch bei den Vögeln steht den wenigen unempfindlichen und weit verbreiteten Arten in Apfelanlagen – wie Amseln oder Singdrosseln – in den Streuobstwiesen eine reiche Vielfalt gegenüber, von Buntspecht, Kleiber und Zilpalp bis zu den gefährdeten Arten Goldammer, Neuntöter und Zippammer. Und nicht nur Wildbienen, auch andere Bestäuberinsekten wurden in Streuobstwiesen in deutlich höherer Vielfalt angetroffen, ebenso wie wirbellose Tiere oder Gefäßpflanzen.
Diese Ergebnisse kommen nicht unerwartet, denn die besonderen Charakteristiken der Anger bedeuten ideale Voraussetzungen für außerordentliche Vielfalt: Die Bäume mit großen Stämmen und Kronen sind ein wertvoller Lebensraum für Waldarten, die meist gemähte oder beweidete Wiese für Arten von Wiesen und Weiden; zudem sind Streuobstwiesen häufig von Hecken oder Trockenmauern umgeben, die die Biodiversität ebenfalls fördern. „Diese Daten machen in beeindruckender Weise sichtbar, welchen Verlust es nicht nur für das Landschaftsbild bedeutet, dass Streuobstwiesen immer seltener werden, verdrängt von intensiveren Kulturformen und sich ausdehnender Urbanisierung“, unterstreicht Andreas Hilpold, Koordinator des Biodiversitätsmonitorings Südtirol. „Dabei können Streuobstwiesen ein Modell für nachhaltige Produktionssysteme sein.“
Die Erhebungen in Streuobstwiesen waren ein Spezialprojekt im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol, das seit 2019 die wichtigsten Lebensräume in der Provinz auf ihre Artenvielfalt hin untersucht. Im Fokus stehen dabei Tier- und Pflanzengruppen, die besonders schnell auf Umweltveränderungen reagieren: Heuschrecken, Tagfalter, Vögel, Fledermäuse und Gefäßpflanzen. Als zusätzliche Gruppe wurde in den Streuobstwiesen und intensiven Apfelanlagen die Wildbienen untersucht.