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Extreme Rettung

Die Bergrettung Südtirol führte im terraXcube erstmals eine vollständig simulierte Übung unter Extrembedingungen durch

In den vergangenen Wochen war die Bergrettung des Alpenvereins Südtirol Protagonist einer besonderen Übung, wie es sie in dieser Weise noch nicht gab. Während eines heftigen Gewitters und bei Temperaturen weit unter null mussten zwölf Bergretter eine schwierige Rettungsaktion in 3.500 Metern Höhe durchführen.

Der Einsatz fand allerdings nicht im unwegsamen Gebirgsgelände statt, sondern im NOI Techpark im Bozner Industriegebiet, und an einem warmen Herbsttag. Die Übung wurde im terraXcube simuliert, dem Extremklimasimulator von Eurac Research, wo die schwierigen Bedingungen – das schlechte Wetter und der schnelle Aufstieg in die Höhe – künstlich reproduziert wurden.

Die Übung wurde von den Expertinnen und Experten für Notfallmedizin von Eurac Research überwacht, die am Ende die physische und psychische Stressbelastung des Rettungsteams bewerteten. Es war das erste Mal, dass in Südtirol Rettungsübungen in einer simulierten Umwelt durchgeführt wurden.

Simulation einer Rettungsaktion unter extremen Umweltbedingungen

Der Verunglückte befindet sich auf einer Höhe von 3.500 Metern, doch wegen des schlechten Wetters muss der Rettungshubschrauber einige hundert Meter tiefer landen. Dieses Szenario wurde bereits in anderen Übungen verwendet, doch war es dort meist nur der narrative Rahmen für die Rettungsaktion. Diesmal aber wurden im terraXcube so realitätsnahe Bedingungen wie möglich geschaffen.

© Eurac Research

In der Vorkammer des Simulators, wo das laute Dröhnen eines Hubschrauberrotors widerhallte, wurden die Rettungsteams schnell in die Höhe versetzt. Dann ging es in den Large Cube (die größte Kammer des terraXcube), wo die Retter sehr reale Bedingungen vorfanden: Dunkelheit, eine Temperatur von etwa zehn Grad unter null, ein Gewitter mit starken Windböen. Die Anstrengung der letzten 300 Meter Aufstieg zu Fuß wurde durch einen Hindernisparcours simuliert, den die Bergretter etwa 20 Minuten lang wiederholt absolvieren mussten.

Am Unfallort angekommen, musste das Team sich um den Patienten kümmern (eine klassische Übungspuppe): seine wichtigsten Vitalparameter überwachen, die erforderlichen Behandlungen durchführen und ihn auf die Trage legen. Danach galt es noch, den Geretteten – festgeschnallt und mit Hilfe eines Seils – über eine Wand zu heben. Während des simulierten Hubschrauberrückflugs wurde ein Szenario durchgespielt, in dem sich der Gesundheitszustand des Patienten verschlechtert, was weitere Maßnahmen von Seiten der Bergretter und eine Intubation durch den Notarzt erforderlich macht.

© Eurac Research | Christian Steurer

Rettungszeiten, Stress und neue Technologien

Die gesamte Übung wurde vom Expertenteam für alpine Notfallmedizin genau beobachtet. Für welche Behandlungen hat das Rettungsteam sich entschieden? Welche hat es nicht durchgeführt? Außerdem wurde die Einsatzzeit gemessen: eine entscheidende Variable. „Es liegt auf der Hand, dass sich die Einsatzzeiten unter solchen extremen Bedingungen radikal ändern, verglichen mit einem Szenario normaler Umweltbedingungen. Ebenso verändert sich die physische und psychische Stressbelastung aller Beteiligten“, erklärt Simon Rauch, Notfallmediziner von Eurac Research; „diese Variablen wollten wir messen, und zwar in einer sicheren Umgebung und in einem reproduzierbaren Szenario.“

© Eurac Research | Christian Steurer

Der Grad der psychischen Belastung wurde mit Hilfe von Fragebögen ermittelt, die die Retter vor und nach der Übung beantworteten, die körperliche Belastung wurde durch verschiedene Messungen erfasst. Schließlich nutzte das Forschungsteam die Gelegenheit, um eine neue Methode zur Überwachung von Vitalparametern zu testen, bei der Daten drahtlos übermittelt werden. Diese Technologien, die beispielsweise in der Tele-Medizin schon vielerorts im Einsatz sind, werden auf der Brust des Patienten angebracht und übertragen drahtlos wichtige Informationen zu Herzfrequenz, Atmung, Sauerstoffsättigung und Blutdruck. Bei der Simulation ging es darum zu überprüfen, wie gut diese Technologie auch in großen Höhen und bei sehr niedrigen Temperaturen funktioniert.

Die erste simulierte Rettungsübung in Südtirol

„Es war eine Premiere für diese Art von simulierter Rettungsübung“, erklärt Simon Rauch, „und sie ist eindeutig positiv ausgefallen.“ Weitere Übungen sind bereits geplant. Bei der internationalen Tagung der IKAR MedCom – der internationalen Fachkommission für Alpine Notfallmedizin – muss ein Ärzteteam beispielsweise anspruchsvollere therapeutische Maßnahmen durchführen, etwa einen venösen Zugang legen, Medikamente verabreichen oder eine orotracheale Intubation ausführen. „Das bedeutet natürlich, dass die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob die Übung unter normalen Bedingungen durchgeführt wird oder ob sie unter sehr realistischen Extrembedingungen simuliert wird“, erklärt Rauch. „Wenn mehr Zeit vergeht und nicht die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, kann dies zu Komplikationen führen: Sind Flüssigkeiten und Medikamente zum Beispiel zu lange außerhalb des Rucksacks, gefrieren sie.“

Solche Übungsszenarien können nur von Vorteil sein und werden hoffentlich auch in Zukunft angeboten.

Lukas Paulmichl, Bergretter

Solche Übungen in einer realen Umgebung durchzuführen, ist viel schwieriger und außerdem sehr gefährlich. Die geschützte Umgebung des terraXcube ist dagegen ideal. „Für uns Bergretter war es eine einmalige Gelegenheit unter extremen Bedingungen, aber trotzdem in einem sicheren Rahmen, realitätsnahe Einsatzsituationen durchzuführen“, erklärt Lukas Paulmichl, einer der an der Übung beteiligten Bergretter. „Die simulierte Meereshöhe, die widrigen Witterungsbedingungen, sowie der zusätzliche Aufstieg mit dem Einsatzmaterial über den Hindernisparcours waren für uns eine körperlich spürbare Herausforderung. Der Ablauf einer Patientenversorgung ändert sich schlagartig in solchen Situationen, Prioritäten müssen anders gesetzt werden, auf die Eigen- und Patientensicherheit muss nochmals mehr als sonst geachtet werden. Ich spreche im Namen aller Bergretter, wenn ich sage, dass solche Übungsszenarien nur vom Vorteil sein können und hoffentlich auch in Zukunft angeboten werden.“

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