Frau Singh, wie sind Sie auf die Winter School gestoßen, und was nehmen Sie mit nach Hause?
Bhavinee Singh: Ich habe von der Winter School durch eine Doktorandin der Edinburgh Law School erfahren, die letztes Jahr daran teilgenommen. Sie wusste, dass ich zum Thema Steuerföderalismus forsche. Ich warf einen Blick auf die Website und hielt Rücksprache mit meinen Betreuern, denen die Winter School bereits bekannt war. Einer von ihnen, Wilfried Swenden, hatte sogar schon einmal bei der Winter School referiert.
Zwei Dinge haben mir besonders gut gefallen: Erstens die Vielfalt, sowohl was die Lehrenden als auch die Themen betrifft, die wir behandelt haben. Wir erhielten eine allgemeine Einführung in die Themen Föderalismus und konstitutionelle Nachhaltigkeit, und gingen dann zu Fallstudien über. Zweitens die Vielfalt der Teilnehmerprofile. Wir waren eine bunte Mischung aus JuristInnen, PolitikwissenschaftlerInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen und KlimaaktivistInnen. All diese unterschiedlichen Perspektiven in einem Raum waren gelinde gesagt überwältigend. Und als Doktorandin passiert es schnell, dass man sich im Elfenbeinturm der eigenen Disziplin isoliert, weil man so sehr mit der eigenen intellektuellen Selbstfindung beschäftigt ist.
Greta Klotz: Eines unserer Schwerpunktthemen am Institut für Vergleichende Föderalismusforschung ist auch die Multi-Level-Governance im Umweltbereich. Und so haben wir dieses Jahr die Winter School unter anderem diesem Thema gewidmet. Es gab auch einen runden Tisch zum Thema Föderalismus und Klimawandel. Uns ist es wichtig, immer auch eine Verknüpfung zu den lokalen Institutionen und Kontexten herzustellen. In der Innsbrucker Woche besuchen wir immer den Bürgermeister und den Stadtrat. Und hier in Südtirol machen wir einen Besuch beim Landtag. Die Teilnehmenden schätzen es, mehr über den spezifischen lokalen Kontext und das System des Zusammenlebens der Sprachgruppen zu erfahren. Dafür ist unsere Winter School bekannt.
Bhavinee Singh: Auch das ist ein weiteres Highlight. Es ist spannend, das Gelernte zu kontextualisieren, etwa das Regierungssystem in Südtirol oder durch die historischen Stadtführungen in Bozen als auch in Innsbruck. Dann versteht man es auch besser, und es bleibt keine Power Point Theorie. So etwas gibt es in kaum einer anderen Winter- oder Sommer School, dass man so stark in den Kontext des Ortes eingebunden ist.
Juan Negri: Ich würde noch etwas hinzufügen: Diese Winter School dauert zwei Wochen, im Unterschied zu den meisten anderen einwöchigen Programmen. In den zwei Wochen festigt sich die Gruppe, man hat man Zeit, die anderen Teilnehmenden besser kennenzulernen. Am Ende entstehen enge Freundschaften.
Was ist das Besondere an der Winter School?
Bhavinee Singh: Die Verbindungen, sei es zu den Vortragenden, den Organisatoren oder den Teilnehmenden. Es sind nicht nur berufliche, sondern auch ganz persönliche geworden. Wir alle kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Einige arbeiten mehr im Bereich Umwelt, andere wiederum sind auf die politische Dimension des Föderalismus spezialisiert, aber irgendwie findet sich immer ein gemeinsamer roter Faden, der sich durch all unsere Arbeiten zieht. Einige sind als Aktivisten an vorderster Front, andere schreiben viel zum Thema, andere wiederum erforschen es. Und in dieser Winter School treffen wir alle aufeinander und entdecken mit einer erfrischenden Leichtigkeit all die Gemeinsamkeiten, die uns verbinden.
Als Akademiker, der an einer Universität sitzt, habe ich kaum die Möglichkeit, mich mit einem Aktivisten auszutauschen, der an der Front steht. Uns alle hier zusammenzubringen und uns daran zu erinnern, dass es trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen an den Föderalismus Gemeinsamkeiten gibt, war für mich ein besonderer Höhepunkt.
Greta Klotz: Obwohl die Visabestimmungen immer strenger werden, und es für Teilnehmende aus bestimmten Ländern schwieriger wird, zur Winter School zu reisen, ist es jedes Jahr eine große Genugtuung, wenn alle Teilnehmenden eingetroffen sind, und wir mit dem Programm starten können. Die Winter School ist für uns auch insofern ein nachhaltiges Projekt, als dass sich daraus interessante neue Kooperationen ergeben. Wir bauen durch die Winter School laufend unser Netzwerk an weltweiten Expertinnen und Experten zum Thema Föderalismus aus, laden die Teilnehmenden ein, in unseren Buchreichen zu veröffentlichen, werden in Folge der Winter School selbst mit unserer Expertise zu Konferenzen eingeladen oder gewinnen neue Partner für große Projekte. Juan hat zum Beispiel an dem von unserem Institut geleiteten H2020-Projekt LoGov mitgewirkt. Yonatan Fessha, ein Teilnehmer unserer allerersten Winterschule, erhielt ein renommiertes Marie-Curie-Stipendium und arbeitete zwei Jahre lang bei uns am Institut. Wir haben anlässlich der 15 Jahre auch einen Aufruf an all unsere Alumni gestartet und konnten Juan als Referent nach Bozen einladen. Es schließt sich also der Kreis: Juan ist ein ehemaliger Student der Winter School, der 2024 als Dozent zurückgekommen ist.