Aber was bringt manche Ökologen und Ökologinnen dazu, die Nase in den Himmel zu recken, um den Wald zu erforschen? „Die Morphologie des Kronendachs eines Waldes verrät uns viel über das, was darunter liegt“, erklärt Mina. Das Licht, das durch die Baumkronen dringt, ist ausschlaggebend für entscheidende vitale Prozesse des Waldes, vor allem die Photosynthese. Es ist kein Zufall, dass Buchenwälder – eine sehr konkurrenzstarke und dominante Baumart – oft kein Unterholz haben: Das geschlossene Kronendach schränkt die Photosynthese ein und verhindert so das Wachstum anderer Pflanzen.
Ist das Kronendach hingegen sehr offen, wie bei den Lärchenwäldern, kann viel Sonnenlicht durchscheinen und das Unterholz üppig wachsen lassen. In anderen Fällen begünstigt die Sonneneinstrahlung jedoch auch die Austrocknung des Bodens, wenn sie nicht von Bäumen abgeschirmt wird und so die Verdunstung erhöht.
Die Menge an Licht, die durch das Kronendach des Waldes dringt, beeinflusst das gesamte Ökosystems: von den Bakterien bis zu den Pilzen, und von den Pflanzen bis zu den Tieren, die sich davon ernähren. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Morphologie der Baumkronen bei der Planung von Auf- oder Durchforstungsaktionen zu berücksichtigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das empfindliche Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Elementen gestört wird. Waldbauliche Pflegemaßnahmen müssen den Lichteinfall beachten und auf ein abwechslungsreiches Zusammenspiel von helleren und dunkleren Bereichen im Unterholz abzielen. Auf diese Weise können sich verschiedenste Organismen im Unterholz entfalten. Jene, die Schatten und Feuchtigkeit bevorzugen, wie einige Farne, Pilze und Flechten, ebenso wie solche, die Sonnenlicht brauchen, wie die meisten Sträucher. „Unter diesem Gesichtspunkt ist Vielfalt der Schlüssel zu einem funktionierenden und gesunden Waldökosystem“, erklärt Mina.