Das Dorf Ye'niugou liegt schon mindestens 25 Minuten zurück, als der Pickup neben dem Highway G214 anhält. Raul steigt aus, zieht seine Windjacke zu und geht langsam über das knisternde Gras unter seinen Stiefeln. Schon nach wenigen Schritten fällt ihm das Atmen schwer: Er ist schon seit einigen Tagen auf der tibetischen Hochebene in der chinesischen Provinz Qinghai, aber die Höhe strengt ihn immer noch an. Vor ihm steigt der Hauptpass des Bayan-Har-Gebirges auf über 4.800 m an, eine der Quellen des Gelben Flusses entspringt hier; ein Gipfel weiter hinten, für die Augen trügerisch nah aber nur auf beschwerlichem Fußmarsch zu erreichen, ist 5.085 m hoch.
Die Landschaft ist märchenhaft: grüne Weiten bis zum Horizont, unterbrochen von glitzernden, eisigen Seen. Aber Raul behält den Boden im Auge, denn er ist Bodenforscher und dies ist kein touristischer Ausflug: Er ist auf dem Weg zu einem Messstandort, um Daten von Sensoren herunterzuladen, die zur Registrierung der Bodentemperatur in einer Tiefe von etwa fünf Zentimetern installiert wurden. 39 solcher Standorte sind über ein Gebiet von 150 Quadratkilometern verteilt.
„Ich mag es, die Autobahn mit ihren Lastwagen hinter mir zu lassen und loszuwandern, nur noch auf die Geräusche der Natur zu hören“, sagt Raul Serban, Doktorand in periglazialer Geomorphologie an der Westuniversität in Timisoara und derzeit Forschungsstipendiat bei Eurac Research: „Die kleinen Wasserflächen, die über die Hochebene verstreut sind, werden Thermokarst-Seen genannt; sie sind in der Tat wunderschön, für mich aber auch ein Alarmzeichen. Denn sie entstehen, wenn der Permafrostboden auftaut, was bedeutet, dass die Klimaerwärmung auch den Boden trifft.“