Natürlich zur Aufbewahrung biologischer Proben – doch auch weit ehrgeizigeren Zielen
Wie lange können Proben in einer Biobank aufbewahrt werden? Bezahlt man für ihre Lagerung oder Nutzung? Wer kann auf sie zugreifen? Und was hat die Geopolitik damit zu tun? Antwort gibt der Genetiker Alessandro De Grandi, der für die Biobank von Eurac Research verantwortlich ist.
Alessandro De Grandis Lächeln wird breiter, als er seinen Ausweis auf das kleine graue Kästchen legt und das Schloss entriegelt. Er öffnet die Tür weit, und vor uns liegt die Biobank in ihrer ganzen Solidität. Rechts ein Raum, in dem Stickstoffschwaden wie Rauch aus großen zylindrischen Behältern – den Tanks – aufsteigen und die Rohre mit Eis überziehen; geradeaus ein Raum mit dreißig Gefrierschränken; links Tische unter Abzugshauben, an denen die Kollegen biologische Proben – also Blut und Urin – für die Lagerung vorbereiten. Bei der Begrüßung scherzt De Grandi: „Eine Biobank ist unvergänglich!“
Im Untergeschoss des Bozner Krankenhauses nicht ganz leicht zu finden – man geht lange durch niedrige, neonbeleuchtete Korridore –, ist die Biobank von Eurac Research keine Bühnendiva, sondern eher ein diskretes Gerüst, auf das sich die heutige, aber auch die zukünftige Forschung stützt.
„Wir sind keine Briefmarkensammler. Was mir Kummer macht, sind noch nicht analysierte Proben. Ich möchte, dass jede einzelne Probe nützlich ist.”
Alessandro De Grandi, Genetiker
„Der Zeithorizont unserer Arbeit ist sehr lang“, erklärt der Genetiker De Grandi, der nach jahrelanger Erfahrung in der ganzen Welt in seine Heimatstadt Bozen zurückgekehrt ist und den Aufbau der Biobank koordiniert hat. „Die ältesten Proben, die wir hier aufbewahren, stammen aus der Micros-Studie, bei der 2002 Proben von rund 1.500 Menschen im Vinschgau gesammelt wurden. An der CHRIS-Bevölkerungsstudie, im Grunde die groß angelegte Weiterentwicklung von Micros, haben bisher schon mehr als 13.000 teilgenommen, und sie wird mindestens dreißig Jahre laufen; danach wird es neue Initiativen geben, kann ich mir vorstellen. Außerdem können die Proben theoretisch ewig aufbewahrt und analysiert werden.“
Aufbewahrte Proben
Bislang genehmigte Studien
Jedes größere Krankenhaus hat eine eigene Biobank: Sie lagert Blut für Transfusionen, Knochenmark und Stammzellen für Leukämietherapien, Gewebe für Transplantationen und in einigen Fällen auch Ei- und Samenzellen für die assistierte Reproduktion. Auch das Krankenhaus Bozen hat so eine Biobank, sie liegt direkt neben der von Eurac Research. Sie ist einer Apotheke vergleichbar, doch anstatt Medikamente auszugeben, stellt sie biologisches Material für verschiedene medizinische Behandlungen bereit.
„Bei Biobanken, die auch der Forschung dienen, wie Bevölkerungsbiobanken, liegt der Wert nicht in den Proben selbst, sondern in den Informationen, die man daraus gewinnen kann“, erklärt De Grandi.
Bei der CHRIS-Studie werden pro Person 37,5 Milliliter Blut entnommen – die Entnahme soll so wenig invasiv wie möglich sein, jedoch ausreichend Material für die Untersuchungen liefern. Ein Teil des Blutes wird als Vollblut aufbewahrt, um in einem zweiten Schritt die DNA extrahieren zu können. Der Rest wird zentrifugiert, um die verschiedenen Bestandteile des Bluts zu trennen.
Diese Bestandteile werden dann in den jeweils geeigneten Gefrierschränken aufbewahrt: Vollblut, weiße Blutkörperchen und Blutplättchen kommen in die Tanks, wo die niedrigsten Temperaturen herrschen, unterhalb -150 °C, rote Blutkörperchen und Plasma kommen in die Gefrierschränke mit einer etwas höheren Temperatur von etwa -80 °C. Auch Urinproben werden dort aufbewahrt, etwa zehn Röhrchen pro Person. Mit ein paar Stunden Arbeit und etwa 500 Euro einschließlich Personalkosten ist das gesamte biologische Material eines Menschen sicher verwahrt.
Die Biobank wurde 2015 eingeweiht; De Grandi ist sichtlich stolz auf die erbrachte Anstrengung, um sie aufzubauen und das halbautomatische Verfahren einzurichten, mit dem die Proben verwaltet werden. Aber er gibt sich noch nicht zufrieden. „Wir sind keine Briefmarkensammler“, sagt er lachend. „Was mir Kummer macht, sind die noch nicht analysierten Proben. Ich möchte, dass jede einzelne Probe nützlich ist.“
Die Biobank von Eurac Research steht prinzipiell allen Forschenden zur Verfügung; Forschungsprojekte – externer wie interner Forschungsgruppen – müssen aber dem Zugriffsausschuss zur ethischen und praktischen Bewertung vorgelegt werden. Wird das Forschungsvorhaben akzeptiert, sind nur die Kosten zu erstatten.
„Wir können sowohl Daten als auch Proben zur Verfügung stellen, wobei wir bei Proben etwas vorsichtiger sind, denn sie stellen natürlich eine begrenzte Ressource dar. In diesen Fällen stellen wir die kleinstmögliche Probe zur Verfügung, und nur für Studien, wo die Chancen gut stehen, dass sie ein Ergebnis erzielen – auf Grund der Erfahrung der Forschungsgruppe, der beteiligten Partner sowie der finanziellen Mittel“, erklärt De Grandi. „Wir mussten schon Anträge ablehnen, weil die Erfolgsaussichten einer Studie sehr unsicher waren und es zu riskant gewesen wäre, Proben zu investieren.“ Bislang gab es 369 Anträge, von denen 96 Prozent bewilligt wurden.
„Wir können den Forschenden sowohl Daten als auch Proben zur Verfügung stellen, wobei wir bei Proben etwas vorsichtiger sind, denn sie stellen natürlich eine begrenzte Ressource dar.”
Alessandro De Grandi, Genetiker
Die Biobank von Eurac Research ist Teil des europäischen Konsortiums BBMRI-Eric, in dem fast 650 Biobanken in 17 Ländern, etwa ebenso viele in Kanada und den USA und etwa 140 in Großbritannien zusammengeschlossen sind.
„Unsere Biobank ist eine der wenigen reinen Forschungsbiobanken. Zweifellos ist sie jene mit der höchsten Anzahl von Proben, die an einem einzigen Standort, dem Vinschgau, gesammelt wurden“, erklärt De Grandi. Dies ist von Vorteil, da einige Umweltbedingungen homogener sind und auch die familiären Beziehungen analysiert werden können.
Manchmal jedoch sind große Datenmengen erforderlich, um zu statistisch aussagekräftigen Ergebnisse zu gelangen, und es ist wichtig, die Kräfte zu bündeln. So haben Daten aus der Bozner Biobank in großen internationalen Studien dazu beigetragen, die genetischen Einflussfaktoren auf den Schweregrad von Covid-19-Infektionen zu ermitteln, neue Risiko-Gene für Nierenversagen zu entdecken und chronische Schmerzen besser zu verstehen.
Die Zusammenarbeit war nicht immer so intensiv.
Die erste Biobank entstand in Verbindung mit der Framingham-Studie 1948, für die Blutproben der gesamten Bevölkerung von Framingham, einer Stadt in amerikanischen Bundesstaat Massachusetts gesammelt wurden, um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen abzuschätzen. In den 1990er Jahren gab es dann immer mehr epidemiologische Studien mit ganz spezifischen Zielen, wobei jedoch immer ein wenig Blut für mögliche weitere Forschungen zurückbehalten wurde. „Anfang der 2000er Jahre arbeitete ich in Lyon bei der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), und ich erinnere mich, dass die Biobanken fast private Einrichtungen waren. Es gab Leute, die sie wie einen echten Schatz hüteten“, erzählt De Grandi mit einem Lächeln. „Dann kam glücklicherweise die Open-Source-Revolution mit ihrer großen Offenheit und der Regulierung.“ Denn die Zusammenarbeit ist zwar unerlässlich, um die Forschung voranzubringen, aber nicht immer einfach.
In der Biobank von Eurac Research wird dem Schutz sensibler Daten zu Recht immense Bedeutung beigemessen. Zum einen wird, wer seine biologischen Proben spenden will, umfassend aufgeklärt, sodass er anschließend informiert einwilligen kann; darüber hinaus ist das Depot aber noch durch ein strenges Anonymisierungssystem geschützt. Die in den Gefrierschränken gelagerten Proben sind mit sogenannten 2D-Codes versehen, die es bei Bedarf ermöglichen, die Identität der Person zu ermitteln. Die Entschlüsselung kann jedoch nur über mehrere Sicherheitsschritte erfolgen. Aus Vorsicht vermeidet es das Forschungsteam sogar, sensible Inhalte per E-Mail mitzuteilen. Sind die Studien, für die die Daten der Biobank verwendet wurden, abgeschlossen, prüft der Zugriffsausschuss, der sie genehmigt hatte, die Veröffentlichungen vorab: Nicht um die Ergebnisse zu bewerten, sondern den ethischen Standard der Arbeit zu prüfen, da die Biobank auch für die Sekundärdaten verantwortlich ist.
Die Proben sind mit sogenannten 2D-Codes versehen, die es bei Bedarf ermöglichen, die Identität der Person zu ermitteln. Die Entschlüsselung kann jedoch nur über mehrere Sicherheitsschritte erfolgen.
Auch die Geopolitik beeinflusst die internationale Forschungszusammenarbeit.
Der Austausch mit den Vereinigten Staaten beispielsweise war bis zum Sommer dieses Jahres nicht möglich, weil es dort kein klares Gesetz gibt, das es erschwert, den Zusammenhang zwischen Daten und Individuum herzustellen – ein Aspekt, den der italienische Datenschutzbeauftragte besonders restriktiv regelt. Seit Juli 2023 ist nun ein Abkommen in Kraft, das jedoch umstritten ist.
Den Vereinigten Staaten und anderen Ländern wurde wiederholt vorgeworfen, sie verhielten sich Minderheiten oder armen Ländern gegenüber ausbeuterisch: Angeblich hätten sie Proben und Daten nach nicht ganz transparenten Protokollen gehortet; ein Phänomen, das man als „Biokolonialismus“ bezeichnet.
Aus China kommen oft sehr kostengünstige Angebote für Labordienstleistungen wie die Genomsequenzierung, die man in der Biobank aber ablehnt: Der Rabatt auf der Rechnung würde nämlich mit zweifelhaften Garantien bezüglich der Handhabung persönlicher Daten bezahlt.
„Wir können uns nicht allein auf das Vertrauen zwischen den an der Forschungsarbeit Beteiligten verlassen, wir brauchen klare Regeln“, schließt De Grandi. „Aber es gibt keine Alternative zum Austausch – er ist eine Notwendigkeit. Ein Blick in die Zukunft? Ich sehe eine entscheidende Rolle für Biobanken bei der Erforschung von Onkogenen, den Genen, die die Entstehung von Krebs fördern.“