Südtirol betreibt seit zwei Jahren – mit finanzieller Unterstützung der Landesregierung – ein Biodiversitätsmonitoring.
Tappeiner: Ja, wir brauchen ein kontinuierliches Monitoring von Flora und Fauna, um zu verstehen, wie rasch sich die Biodiversität ändert und wo solche Veränderungen besonders heikel sind. 2019 haben wir begonnen terrestrische Lebensräume zu beproben, also Wiesen, Wälder, landwirtschaftliche Nutzflächen, Feuchtgebiete, alpine Lebensräume und Siedlungsräume. Wir sind nun fast die Hälfte von den insgesamt 320 Erhebungspunkten durch. Jeder der Punkte wird damit alle 5 Jahre wieder beprobt, damit man Veränderungen erfassen kann. 2021 starten wir mit dem aquatischen Monitoring, wobei in einem Vierjahreszyklus insgesamt 120 Punkte in allen Landesteilen und Flüssen Südtirols erheben werden. Zusätzlich werden wir auch die biologische Vielfalt von den stark durch den Klimawandel bedrohten Quellen, Gletschern und Blockgletschern erheben.
Warum in kürzeren Zeitspannen als die terrestrischen Stationen?
Tappeiner: Weil hier größere Schwankungen zu erwarten sind. Fließgewässer sind viel dynamischer, verändern sich im Jahresverlauf stark etwa durch die Gletscherschmelze oder ein Starkniederschlagsereignis. Beides Phänomene, die durch den Klimawandel verstärkt werden.
Wichtige Erkenntnisse zum Wandel in der Biodiversität und dessen Folgen werden wir also erst in ein paar Jahrzehnten erlangen?
Tappeiner: Nein, jedes Erhebungsjahr bringt bereits spannende Ergebnisse. So konnten wir nun auch für Südtirol eindeutig nachweisen, dass eine vielfältige und reiche Landschaft, in der sich offene Flächen mit Hecken und Bäumen abwechseln viel mehr Vogel- oder Tagfalterarten beherbergen. Wir haben auch sehr seltene Arten gefunden, sogenannte endemische Arten, die die letzte Eiszeit nur in Südtirol überlebt haben, also nur bei uns vorkommen. Aber das gesamte Bild, und vor allem die Veränderungen der Biodiversität Südtirols werden wir erst mit einem Langzeitmonitoring erhalten. Dass wir heute wissenschaftlich nachweisen können, dass es den Klimawandel gibt, verdanken wir auch dem weltweiten genormten meteorologischen Netzwerk mit jahrlangen Messungen. In der Biologie gibt es diese Standards noch nicht. Wir sind dabei, sie mitzudefinieren.